«Soziales Management» gehört zu den neueren Schlagworten der Kommunistischen Partei. Gemeint ist damit vor allem die zeitgemässe Überwachung der Bevölkerung. Eine Woche vor dem Beginn des 18. Parteitages, der eine neue Führungsgeneration an die Macht bringen wird, stehen an grösseren Pekinger Strassen alle fünfzig Meter «Freiwillige» mit roter Armbinde, die für Ruhe und Ordnung sorgen sollen, als müssten sie drohendes Chaos abwenden. Bewaffnete Polizisten bewachen U-Bahn-Eingänge. Seltsame Anweisungen ergehen an den öffentlichen Verkehr und an Ladenbesitzer. Viele Pekinger fragen sich, wovor sich die Funktionäre eigentlich so sehr fürchten – vor dem eigenen Volk, dem sie angeblich so hingebungsvoll dienen, vielleicht?
Propagandaaktionen
Am 1. November hat gleichsam der Countdown zum Parteikongress begonnen. Das vor fünf Jahren bestimmte, 500-köpfige Zentralkomitee der KP ist zu seiner letzten Sitzung zusammengekommen. Es berät bis Mittwoch nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua über die Traktanden des Parteitages und schliesst hinter verschlossenen Türen formell die Tätigkeit ab. Die Vorbereitungen für den nur alle fünf Jahre stattfindenden Parteikongress sind seit Monaten im Gange.
Weil die amtierende Führung verjüngt wird, steht dieser Parteitag unter besonderer Beobachtung. Die Affäre rund um den gestürzten Parteifunktionär Bo Xilai hatte die Partei durchgeschüttelt und unter mannigfachen zusätzlichen Zugzwang gesetzt. Die Geheimniskrämerei um die Postenvergabe treibt immer seltsamere Blüten der Spekulation. Die Propagandisten, die davon ablenken wollen, dass eine ideologisch abgewirtschaftete, von Korruption zerfressene Elite sich an ihren Privilegien und ihrer Macht festkrallt, haben viel zu tun. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Meldung zu sehen, dass am Donnerstag der neue Tarnkappenbomber-Prototyp J-31 seinen Jungfernflug erfolgreich absolviert habe.
Subversive Pingpongbälle
Das Internet, das vor fünf Jahren noch keine grosse Rolle gespielt hatte, hat eine schwer einzuschätzende, vielfach manipulierte «Öffentlichkeit» geschaffen. Diese lässt sich zwar kontrollieren, stellt aber die Funktionäre vor neue Herausforderungen. Deshalb erstaunt es nicht, dass die Internetverbindungen in Peking dieser Tage noch langsamer sind als ohnehin und dass einzelne Anbieter sogar angekündigt haben, ihre Breitbandnetze während der kommenden Wochen wegen «Unterhaltsarbeiten» abzuschalten. Noch sind dies Einzelfälle. Für Belustigung sorgten dagegen Anweisungen an die Pekinger Taxifahrer. Sie mussten die Fensterheber abmontieren, weil die Behörden fürchten, durch offene Fenster könnten subversive Parolen geschrien oder Pingpongbälle mit «reaktionären» Losungen verteilt werden.
Bürgerrechtsaktivisten, Petitionäre und Rechtsanwälte sind, wie die Organisation Chinese Human Rights Defenders schreibt, seit Wochen erhöhtem Druck ausgesetzt. Die Polizei hält sie in ihren Wohnungen fest und unterbindet ihre Kommunikation mit der Aussenwelt. Manche, auch in den Provinzen, wurden an unbekannte Orte verschleppt, geschlagen und vorerst mundtot gemacht. Nur eine Minderheit störe sich an den verstärkten Sicherheitsvorkehrungen, schrieb das Parteiblatt «Global Times». Der Inhalt des Parteikongresses werde das Entscheidende sein, die Vorbereitungen dazu würden rasch vergessen.